Leseprobe Goffiné

Der Bestseller-Autor von Oberstein

Die Ankunft des Leonhard Goffiné, „pastor auffm Hundtsrücken zu Oberstein“, 14./15. Dezember 1696

 

Heinrich stand vor der Tür seiner Goldschmiede und blickte in das Schneetreiben. In der Dunkelheit des Abends lag der Platz vor ihm, so weiß und glatt wie das Tischtuch, womit seine Frau allabendlich mit peinlich genauer Akribie den Tisch deckte. Den ganzen Nachmittag hatte es geschneit. Die dichten Flocken hatten sich beeilt, den Schmutz der Straßen, der sich mit dem von unzähligen Füßen vermatschten Schnee zu einer braunen, breiigen Masse vereint hatte, wie mit einem Königsmantel zu bedecken. Dieser weiße, unberührte Platz – das wäre ein schöner Empfang! Andererseits: So viel Schnee … Selbst die bischöfliche Kutsche würde ihre Schwierigkeiten damit haben!


(...)



„Hast du Orphelin gesehen?“ Roland fiel direkt mit der Tür ins Haus. „Sein Haus ist dunkel. Er wird sich doch nicht schon zur Ruhe begeben haben?“

Heinrich zuckte die Achseln. „Ich glaube nicht, dass er heute Nacht Ruhe findet!“, brummte er. „Er hat sich nicht gezeigt.“

„Wird wohl bei seinem Freund eingekehrt sein,“ kicherte Roland.

„Beim Amtmann?“

„Ja. Der hat wenigstens genug Holz im Ofen …“

Sie schwiegen. Kälte im Haus – das war das Problem des Winters, das jeder kannte! Selbst ein wohlhabender Mann wie Heinrich musste das Holz für den Winter einteilen. Pater Orphelin, der amtierende Pfarrer und zuständig für die wenigen Katholischen in und vor den Mauern Obersteins, war nicht zu beneiden! Das Wenige, was ihm zustand, konnte ihn in den letzten Jahren immer weniger satt machen. In Weierbach hatte er versucht, sich einen zusätzlichen Zehnten zu sichern, doch war sein Status bemitleidenswert armselig geblieben. Als frommer Sohn einer wallonischen Familie hatte er es zum Feldpater der Franzosen im pfälzischen Erbfolgekrieg gebracht. Er hatte hundertfach die Sterbesakramente gespendet und Massenbegräbnisse durchgeführt. Das hatte ihn in den Augen der Franzosen der Garnison dazu befähigt, den Priester für die Handvoll der Obersteiner Katholiken abzugeben. Einen Amtssitz hatte er nicht erhalten, er hatte ganz einfach eins jener schäbigen, verlassenen Häuser besetzt, wie der Krieg sie übriggelassen hatte. Dort lebte er seit beinahe 14 Jahren, sehr zum Leidewesen Heinrichs, der nicht gut auf ihn zu sprechen war. Was für eine nachlässige Amtsführung!

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